1.Tag: Zehn bei früheren
DAV-Touren zusammengewachsene Bergfreunde und -innen
zwischen 39 und 71 aus verschiedenen Sektionen trafen sich
per Bahn zu einer privaten Wanderwoche unter Leitung von
Stefan Haack. Nach einer durch kurze Umsteigezeiten gar nicht so
lang gewesenen Anfahrt kamen wir in Bozen pünktlich an um
mit dem Paolina-Bus (Linie 185) die restliche Strecke bis zum
Parkplatz Frommer Alm zu fahren, zugleich Seilbahnstation
der Kölner- bzw. Rosengartenhütte. Wegen des lang
gewesenen Tages gönnten wir uns den Touristenluxus der
Auffahrt zur fast hotelgleichen Hütte in schönster
Aussichtslage (2337 m).
2. Tag: Der Morgen begrüßte uns mit freiem Blick
über die wolkenverhangenenTäler. Allerdings stiegen
alsbald die ersten Batzen in die Höhe und waberten uns
gelegentlich ein. Dennoch war der zunächst eingeschlagene
Hirzelsteig (normaler Bergweg) das passende Erlebnis zum
Auftakt. Völlig angstfreie Murmel
guckten uns selbstsicher an. Erste Zwischenstation war die Rotwandhütte (2283
m). Den ursprünglich geplant gewesenen Weiterweg über
den Zigoladepass (2550 m) gaben wir wegen der unsicheren Wetter-
und Schneelage auf und umrundeten das Bergmassiv auf dem längerem,
bequemem und aussichtsreichem Schafsteig, der uns im weiteren
Verlauf über einige harmlose Altschneefelder führte.
Bald war in der Ferne die Vajoletthütte (2243 m) zu
sehen. Im Anblick der Hütte ging es bei Regen noch einmal
etwas grobklotzig bergab und dann auf dem breiten
Touristenweg das letzte Stück unter Begleitung eines
ordentlichen Platzregens wieder stramm bergauf.
3. Tag: Der Weiterweg zur fast hotelgleichen
Tierser Alpl Hütte (2440 m) war für uns einfach zu kurz. Und so wagten
wir den in keiner Karte verzeichneten, aber dennoch
markierten groben Aufstieg
über ca. 450 Höhenmeter
hinauf zum Paso da le Pope (2720 m) in der Absicht, auf
weitem Umweg unser Ziel anzusteuern. Einige ungesicherte
aber harmlose Felsrinnen erforderten Handeinsatz. Und die
Schneeflecken wurden mehr, direkt am Überstieg dann ein
reichlich steiles Schneefeld mit fast wächtenartigem
Kamm. Das Ding zu überschreiten ohne zu wissen, was uns
anschließend erwartet, war uns zu gewagt. Also Mut zur
Umkehr. Und das war gut und klug. Wir sind besser und
schneller hinuntergekommen als befürchtet. Auf jeden Fall
hatten wir den uns am Vortag versagt gebliebenen
Panoramablick auf die gesamte rückwärtige
Rosengartenfront. So haben wir den Tag gut
angereichert. Vielleicht wäre es besser gewesen, als
Auftakt zur nahen Santnerpasshütte (?) auf- und
abzusteigen. Ab Vajolethütte ging es dann auf gut präpariertem
Weg hinauf zur Grasleitenpasshütte (2599 m) mit Rückblick
auf unser gerade bestandenes kleines Abenteuer. Kurz vor
der Hütte erwischte uns wieder ein Schauer. Der Weiterweg
führte uns über mäßig steile, sulzige und trittstabile
Altschneefelder 350 m hinunter und auf trockenem Pfad
gleich wieder hinauf über den Molignonpass
(2598 m) zum Plateau vor der Tierser Alpl mit
erstem Blick auf unser übernächstes Ziel, das
Schlernhaus. Fast unvermeidlich wurde es wieder schaurig
und kurz vor unserem Ziel gab es wiederum eine Dusche,
ausgerechnet im einzigen felsigen, aber gut gesicherten
Restabstieg zur hotelartigen Tierser
Alpl Hütte. Die Zimmerlager
waren neu, fast edel, aber eng und schräg und ohne einen
einzigen Nagel um etwas aufzuhängen (aber Not macht ja
bekanntlich erfinderisch: unsere Sachen wurden doch noch
trocken!).
4. Tag: Schönes Wetter und so blieb es auch. Auf
gutem Weg ging es kurz hinauf zum Rosszahnscharte (2499 m)
mit
weitem Blick über die Seiser Alm, den Schlern mit den
vorgelagerten Türmen der Santner
und Euringer Spitze. Gemütlich war
der Weiterweg und Scharen von mit der Seilbahn
angebaggerten Tagestouristen kamen uns entgegen. Im großen
Bogen bewegten wir uns in Richtung Aufstieg mit Einkehr in
der Saltner Hütte. Der völlig harmlose, sich doch
hinziehende Anstieg auf dem Touristensteig (mit den
uns entgegenkommenden Tagestouristen vom Morgen!) über
650 Höhenmeter brachte uns
zu dem wie ein Schloss auf dem flächigen Hochplateau
thronenden Schlernhaus
(2450 m) mit kathedralenartigem
Speissaal. Wir hatten altehrwürdige und reichlich kühle
Zweibettzimmer. Natürlich durfte der kleine und lohnende
Aufschwung zum Gipfel (Petz 2564 m) nicht ausgelassen werden.
Schön und mild war der späte Nachmittag mit toller
Aussicht und der Abend
bezauberte mit dem Glühen des Rosengartens und des Lang-
und Plattkofels, nur leicht beeinträchtigt durch wenige Wolken.
5. Tag: Unser nächstes Ziel, die Grasleitenhütte
(2165 m) hätten wir auf viel zu kurzem Wege erreichen
können (über Schlernhochfläche und Bärenloch).
Wir aber zogen es vor, rund 1200 m durch die gut präparierte
Schlucht der Bärenfalle abzusteigen und nach einer
Erfrischungspause in der Talwirtschaft (Tschaminschwaige
auf ca. 1200 m neben dem Naturparkhaus) langsam zur
Grasleitenhütte wieder aufzusteigen. Am Anfang war der
durch viel Wald führende Weg etwas langatmig, aber
Ausblicke in die bizarre Bergfront boten zunehmend
Abwechslung. Immer imposanter wurde der Weg und eine Fahne
zeigte uns den vermeintlichen Platz der Hütte. Dem war
aber nicht so. Es war ein vielleicht 500 m vorgelagertes
kleines Plateau, ein Rastplatz
mit erstem Ausblick zur
Hütte, die dann
schnell erreicht war. Die abenteuerlich mitten in einer
tiefen Schlucht und dennoch auf einem Plateau errichtete
Grasleitenhütte begeisterte uns, auch die netten
Wirtsleute und die tolle Verpflegung. Die Würde des
Alters, das fast fürstliche Ambiente des Gastraumes, eine
ungewöhnlich großzügige Raumaufteilung im Lager (mit
diesmal ausreichend Wäscheleinen zum Trocknen der
verschwitzten Sachen!) und sehr
ordentliche sanitäre Anlagen mit warmem Wasser fügten
sich harmonisch zusammen.
6. Tag: Zu unserem Tagesziel Rotwandhütte ging es
auf gutem Bergpfad zunächst hinauf in den schon am dritten Tag
gequerten Talkessel unter dem Kesselkogel und dann über
die uns vom Abstieg schon bekannten Schneefelder wieder
hinauf zum Grasleitenpass. Nicht
schwierig oder ängstigend, nur anstrengend. So kamen wir
erneut zur Grasleitenpasshütte mit langer Rast auf der
sonnigen und jetzt aussichtsreichen Terrasse mit Blick in
den Kesselkogel-Klettersteig und den mit
Altschneefeldern durchsetzten Normalaufstieg zum
Antemojapass (2770). Stefan und Sabine konnten nicht widerstehen,
stürmten in weniger als einer halben Stunde hinauf und
ließen uns warten, denn oben war noch eine Zugabe in die tief
verschneite Umgebung unvermeidlich. Der Tross ist dann langsam
Richtung Vajotlethütte abgestiegen. Bald kamen die Ausreißer
nach. Der Weiterweg war ein längeres Stück identisch mit
der Tour des zweiten Tages, aber gegenläufig und bei
bestem Wetter ein neues Erlebnis. Vor allem holten wir
jetzt den auf dem Hinweg vermiedenen Überstieg über den
Zigoladepass (2579 m) nach. Der Aufstieg
war stellenweise etwas
felsig und es gab auch harmlose Altschneefelder. Auf der
Kammhöhe hatten wir einen Panoramablick nach allen
Richtungen. Der Abstieg war einfach, wenn auch am Anfang arg
kiesig und bald konnten wir unserer schon bekanntes
Übernachtungsziel
Rotwandhütte erkennen. Der Restweg war besseres Beine
ausschlenkern. Drangvolle Enge herrschte in der Hütte und
im Lager.
Und morgens musste ein Bergwanderer mit allen Symtomen
eines nachts erlittenen Herzinfarkts ausgeflogen werden.
7. Tag: Weil es uns immer noch nicht genug war,
stand nach Rosengarten und Schlern jetzt Latemar an.
Unsicherheit kam auf. Der Abstieg zum Karerpass war
leichte Gymnastik. Wie weiter? Die angedachte
Aufstiegserleichterung in Gestalt einer Seilbahn viel aus.
Nur Winterbetrieb trotz gegenteiliger Angabe in der Karte. Und die Hitze lag im teilweise
anspruchsvollen Aufstieg. So kam es zu dem letztlich guten
Entschluss, das Ganze umgekehrt anzugehen, also zuerst
ziemlich lange Waldwanderung nach Obereggen am Fuße des
Latemar, von dort mit
der Seilbahn hinauf auf immerhin 2100 m und ab hier auf
zunächst gutem Weg, später aber anstrengender und
felsiger Spur hinauf zur auf einem Felskamm gelegenen
winzigen Latemar- oder Pisahütte im 2670 m Höhe mit
gerade einmal 14 einfachen Lagerplätzen in einer Bretterbude
und noch 6 weiteren Plätzen im Haupthaus. Das Wetter
stimmte und wir verbrachten die Zeit bis zum
Sonnenuntergang auf der Terrasse. Erst vor ca. 25 Jahren
ist die Hütte von einem Idealisten ganz oder
weitestgehend in Selbsthilfe mit selbst geschlagenen
Steinen gebastelt worden. Inzwischen
gibt es eine Versorgungsseilbahn und sogar einen
minimalistischen Hubschrauberlandeplatz. Am späten Abend
hatten wir noch ein Erlebnis der fast außerirdischen Art.
Ein kerniger junger Servicemann der Hütte steigt zur
Nacht immer ab zu seiner jungen Familie. Irgendwie
zwischen Joggen und freiem Fall brauste er virtuos federnd
gämsengleich hinab um dann per Mountainbike und zuletzt
per Motorrad zu entschwinden. Aufstieg dann ähnlich.
8. Tag: Der Weiterweg in den schottrigen Flanken
der Latemar-Rückseite war nicht sehr verlockend, vor
allem wegen des eher ausgesetzten Aufstiegs zur
Latemarspitze (2791 m) und dann luftig hinunter zum
Karerpass (1745 m). Vier mehr emotional als körperlich
Angemürbte mochten sich am letzen Tag keinen Knaller mehr
antun, zwei entschlossen sich zu einem Ruhetag auf der
Hütte mit Leichtwanderung in die Bergflanken und nur vier
Unentwegte muteten sich die Tor-Tour zu. Letztlich war das
wiederum für jede Gruppe die richtige Entscheidung. Denn
die Latemarüberschreitung war wirklich nicht geschenkt,
wurde dafür aber mit herrlichen Aussichten zurück zum
Rosengarten und Schlern belohnt und im Abstieg unter Geleitschutz eines tags zuvor per SMS herbeibeorderten
Einheimischen gemeistert, der nach Überwindung der
größten Schwierigkeiten
der Tour beim Gipfelanstieg
zur Stärkung Brot, Wein, Käse
& Lagrein aus dem Rucksack zauberte, während die
Bequemen noch einen lockeren und dennoch lang gewordenen
Ausklang hatten, angereichert mit der Durchquerung des „Labyrinths"
einer irrgartengleichen Spur durch ein ausgedehntes
Bergsturzgebiet. Jedenfalls trafen wir uns mit Ausnahme
der beiden Hüttenübernachter fast zeitgleich auf der
Terrasse einer Wirtschaft am Karerpass. Übernachtung im
nahen Hotel Castel
Latemar.
9. Tag: Und am nächsten Morgen in
Bozen hatten wir uns alle wieder. Bis zur Abfahrt mit der
Bahn war noch Zeit für einen Stadtbummel mit Einkehr oder
Einkauf (trotz Sonntag). Bis München blieben wir noch
zusammen, dann Auflösung in alle Winde.
Insgesamt war die Wanderzeit ziemlich schweißtreibend und
anstrengend, im Nachhinein aber objektiv nicht wirklich
schwierig, mit Ausnahme der grenzwertig gewesenen
Latemarüberschreitung. Jedenfalls sind wir alle heil und
guter Dinge über die Zeit gekommen.
Teilnehmer:
Karin Buschmann
Hildegard Gödecke
Karin Glenk
Stefan Haack als Leiter
Hans Langecker
Horst Maass
Hartmut Rencker Redaktion
Vera Steini
Sabine Stern
Bettina Thiel
Fotos:
Hartmut Rencker (überwiegend)
Hildegard Goedecke
Stefan Haack
testseite
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