Programm:
1. Seefeld/Rosshütte - Königsweg - Nördlinger Hütte
(2.5 Stunden)
2. Nördlinger
Hütte - Freiunger Höhenweg mit Kuhlochspitze - Solsteinhaus
(5.5 Stunden)
3. Solsteinhaus - großer und
kleiner Solstein - Höttinger Schützensteig - Neue Magdeburger
Hütte - Zirler Schützensteig - Solsteinhaus
(8 Stunden)
4. Solsteinhaus - Gipfelstürmerweg
- Seegrube
(5 Stunden)
5. Seegrube - lnnsbrucker Klettersteig -
Seegrube
(6 Stunden)
1. Tag:
Die vom leider beruflich verhindert gewesenen Holger Rech
ausgearbeitete Tour wurde eine Tour der ‘Superlative‘. Bestes Wetter,
prima Mannschaft, lange Strecken, reichlich Höhenmeter und viele Erfolgserlebnisse.
Wegen der Abwesenheit von Holger kümmerte sich Hartmut um die kleine
Organisation vor Ort, zumal er einen Teil der Tour kannte.
Etwas atypisch war unsere Anreise in
insgesamt 4 Staffeln. Der Ausgangsort war Seefeld, der Treffpunkt die
Nördlinger Hütte. Trotz des verzettelten Beginns und verschiedener
Anmarschwege haben wir das Kunststück fertiggebracht, uns ungeplant auf
dem Hausberg der Hütte, der Reither-Spitze zu treffen.
Um nicht jede einzelne Variante der unterschiedlich genommenen
Anmarschwege zu beschreiben, sei hier lediglich auf den Königsweg
hingewiesen. Nach der zu empfehlenden Auffahrt
mit der Standseilhahn zur Rosshütte (1751 m) geht es zunächst auf das
Seefelder Joch (2064 m), dann weiter zur Seefelder Spitze (2220 m) und
nach leichtem Abschwung um 200 locker hinauf auf die aussichtsreiche
Reither-Spitze (2373 m), direkt über der nahen Nördlinger-Hütte (2239
m). Nach unschwierigem Auftakt mit Maß mussten wir dann die schwerste
Herausforderung der Bergwoche bestehen, nämlich ein üppiges
Abendessen.
2. Tag:
Der zweite Tag führte uns über den mit kleinen Turneinlagen
angereicherten Freiunger Höhenweg, teilweise ein Weg der Kategorie ‘versicherte
Steiganlage‘. Wir lagen gut in der Zeit und so verlockte es uns, die
den Weg nur um 126 m überragende Kuhlochspitze von hinten zu besteigen.
Eine etwas ausgesetzte, rutschige, ungesicherte Rinne verlangte
Vorsicht. Der Aufstieg lohnte sich, denn wir konnten uns davon
überzeugen, das nächste Zwischenziel, die Erlspitze, uns nicht antun
zu sollen. Noch ein ganzes Stück weg von uns konnten
wir die im unteren Drittel bizarren Erosionstürme bewundern, deren
Durchsteigung mit schwerem Gepäck uns sicherlich viel abverlangt
hätte. Fast enttäuschend nah war das Solsteinhaus zu sehen, aber
manchmal trügt der Schein. Nach einem kleinen Karabstieg folgte eine
längere Querung in felsigem Gelände und dann ging es auf
zehenquälendem Rollkies lange hinab. Erst jetzt zweigte der Umweg zum
Erlspitz-Klettersteig ab, der nach fast 5 Stunden Gehzeit mit
zusätzlichen 500 Höhemetern nicht mehr verlocken konnte. Durch
leichtes Latschengelände ging es dann immer noch ein langes Stück
weiter, bis wir dann etwas früh das Solsteinhaus (1505 m) erreichten.
Verpflegung und Bettenlager waren gut, aber das Hüttenwasser wegen
Kuhscheiße im Einzugsgebiet laut ausgehängtem Dokument nicht
genussgeeignet. Trotz unserer klowassererprobten Mägen wollten wir uns
nicht des Risikos aussetzen, in unseren vitaminreichen Trinkflaschen Kolikulturen
zu züchten und kauften kostbares Genusswasser, der Liter für schlappe
8 Mark.
3. Tag:
Der neue Tag hielt viel für uns bereit, viele Stunden, viele
Höhenmeter, viel Luft unterm Hintern und noch viel mehr Rollkies. Der
durchaus anspruchsvoll gewesenen Freiungenweg verblasste zu einem
Vorspiel. Nach leichtem Zwischenabstieg ging es über die Breitseite des
mächtigen Solsteins (2541 m) flott aufwärts zum ausgedehnten grünen
Gipfelplateau, groß genug für mehrere Fußballplätze, deshalb auch
der Name Großer Solstein, trotz geringerer Höhe als der ziemlich
gemeine Kleine Solstein, der allerdings kaum mehr als wenige Stehplätze
zu bieten hat, jedenfalls ragte in vielleicht 1 km Entfernung dessen
Steilrampe vor uns auf. So nahe am Berg unserer Versuchung wäre ein
Verzicht schlimmste Entsagung gewesen und so sind wir guter Dinge
losgezogen. Nach harmlosen Anmarsch musste vor dem eigentlich
unproblematischen Aufstieg ein großer Felsriegel gequert werden. Es
ging über ein gesichertes Band, aber eine sich anschließende, gar
nicht griffige, ungesicherte weglose Passage erforderte einige Haftkraft.
Und der Aufstieg führte auch nicht unmittelbar zum Gipfel. sondern
zuerst zu einem vielleicht 250 m entfernten Nebengipfel. Eine etwas
luftige Querung mit kleiner Turneinlage führte uns dann zum Ziel unsere
Begehrlichkeit (2637 m). Für die Kletterer unter uns war das ein
Spaziergang auf schlechter Wegstrecke, für die Amateuralpinisten aber
anspruchsvoll, vor allem wegen des allgegenwärtigen Rollsplitts. Auf
den von Werner mitgenommenen, selbstgebrannten Gipfel- und
Geburtstagsschnaps verzichteten wir und nahmen nur eine Riechprobe.
Der Abstieg zum Sattel zwischen den beiden Solsteinen ging viel besser
als befürchtet. Die Gewöhnung macht´s. Der weitere, über längere
Strecken ausgesetzte steile Abstieg über den Höttinger Schützensteig
bis zur Zwischenstation Neue Magdeburger Hütte (1637 m) wollte nicht
enden. Es war ein rutschiger Kampf zwischen Gravitation und Adhäsion,
Bodenberührungen sind nicht ganz ausgeblieben. Eine richtige
Bußwallfahrt war es. An der Hütte angekommen, durften sich unsere
geplagten Füße an der Sonne laben und unsere trockenen Kehlen an
Radler und Co. Der restliche Rückweg über den Zirler Schützensteig
zum Solsteinhaus bot Gewohntes, Rollsplitt, teilweise ausgesetzte
Bänder, eine verseilte Rinne und als Opfergabe einen Stock. Acht reine
Gehstunden und mehr als 2 mal 1 000 Höhenmeter lagen hinter uns.
4. Tag:
Der neue Tag hielt wieder Kerniges für uns bereit: vom Solsteinhaus über
den Gipfelstürmerweg zum "Hotel" Seegrube (1906 m). Zunächst
über Wiesen und Latschengelände ein Stück abwärts, dann wieder
hinauf auf einen aussichtsreiche Rücken. Und dann hatte uns wieder der
berüchtigte Karwendelkies im Griff. In Raten ging es abwärts bis
auf 1600 m. Und dann war die Spur weg und nahm nach einer
Luftfahrt ihre Fortsetzung jenseits einer frisch gerissenen Rinne.
Mangels einer Hängebrücke war wieder rutschiges Turnen angesagt. Bald
gelangten wir in das Amphitheater des Frau-Hitt-Kars mit vielen Gämsen,
die in einem Schneefeld Kühlung suchten. Über 600 m mussten wir hinauf,
manchen Rutschmeter doppelt, eine Veranstaltung zur Muskelkräftigung.
Der Frau-Hitt-Sattel, die Berganatomie würde eine erotischere Bezeichnung
dieser Engstelle erlauben, war dann nach einiger Mühe erreicht. Nur
hier hatte sich unsere Gruppe etwas
auseinandergezogen.
Hier machten wir Rast im Anblick von Innsbruck und der Schlüsselstelle
unserer nächsten Versuchung, dem als schwierig eingestuften lnnsbrucker
Klettersteig, der hier einen luftigen Abstieg mit locker verteilten und
seitlich versetzten Krampen sowie einen überhängenden Bauch bietet.
Der restliche Weg bot wieder den üblichen Splitt im Abstieg und dann
einen Kuhpfad. Plötzlich hatte uns die Zivilisation wieder ... mit
Baggern und schwerem Baugerät. Trotzdem war die Terrasse des Berghotels
Seegrube ein Genuss.
Wie auf der gesamten Strecke bot sich ein prächtiger Ausblick über den
Alpenhauptkamm von den Tauern bis zur Zugspitze und auf
Innsbruck tief unter uns. Der Getränkebeschaffer Hartmut hatte hier
eine besonders glückliche Hand. Es wurde gerade eine neue Zapfanlage
ausprobiert und viele Gläser frisches Tröpfelbier mit viel
Flüssigkeit und wenig Schaum standen unverkäuflich herum. Wir opferten
uns auf, das Testbier vor der nicht bestimmungsgerechten Vernichtung zu
bewahren. Die Unterkunft (Zimmer und Lager) war teuer, einige Matratzen
zur Reflexzonenmassage geeignet, aber es gab Etagenduschen und trinkbares
Klowasser.
5. Tag:
Jetzt stand der Klettersteig an. Das Wetter war zwar immer noch schön,
aber es war windig geworden. Für acht Leute hatten wir siebenmal
Zaumzeug. Obwohl wir alle zumindest in Klettersteigen der Kategorie 1
geübt waren, wollte Frisch-Rentnerin Ingrid sich nicht übergangslos
Kaliber 3 antun und auch Hartmut riss es zwischen Lust und Last hin und
her. Die Entscheidung war einfach. Ingrid einen Tag alleine lassen, das
macht man nicht. Und so war es dann für Hartmut, dem als Samariter
erprobten Abstiegsbegleiter von Verletzten und Zermürbten eine
Entscheidungshilfe, sich mit Ingrid einen flotten Tag zu machen und weit
unter der vorgegebenen Zeit auf Panoramawegen zur Pfeishütte und
zurück zu sausen, um dabei Zeuge eines möglicherweise tragischen
Absturzes eines Gleitschirmfliegers zu werden. Es war ein Tag mit Strömungsaufwind
ohne Thermik. Offenbar ist der Schirmflieger in die Abwärtsströmung
einer rotierenden Luftwalze gekommen und trotz geöffneten Schirms im
Latschengelände hart aufgeschlagen. Der schon bald nach dem Unfall
angekommene Rettungshubschrauber drehte nach wenigen Besichtigungsrunden
wieder ab. Dramatisches ist unseren Klettersteiggehern erspart
geblieben. Nur der starke Wind machte den Leichtgewichten zu schaffen
und den Kurzbeinigen die weiten Krampenabstände. Und ziemlich lang war
der Klettersteig. Fast fünf Stunden reine Gehzeit ohne Hin- und
Rückweg. Für die Rückreise war es zu spät und so schwebten wir am
nächsten Morgen mit der Seilbahn hinunter nach Innsbruck zu einem
kurzen Stadtbummel. Am historischen Handelsweg gelegen, zeigte
Innsbruck seine reiche Vergangenheit in Gestalt von zahllosen trutzigen
und doch großzügig gestalteten Patrizierhäusern und vielen Kulturdenkmälern.
Nach soviel Sachinformation
noch ein paar Worte über uns. Wir waren zwei Ehepaare, zwei von ihren
Frauen freigegebene Männer und zwei Hagestolze, alle ein wenig besessen,
von ausreichender bis guter Kondition, alle bergerprobt, wenn
auch auf verschiedenem Niveau. Keiner ist eilig vorneweg gerannt und wir
haben auch am letzten Tag noch gemeinsam am selben Tisch gesessen.
Flotte Sprüche haben wir gerissen, literarische und selbstgemachte. Und
bis auf ein paar Hautschrammen und heiße Füße sind wir heil
geblieben.
Teilnehmer: Reinhold
Andres, Georg Borowski, Ingrid u. Wolfgang Brise, Werner Horn, Annette und Helmut Müller, Hartmut Rencker