Gedanken von Hartmut Rencker zu Syntesekerosin. 
Vortrag zur Montags-Demo am 20.5.2019


Guten Abend ihr lieben Leute,

bei mir wird es immer naturwissenschaftlich, obwohl ich gar kein Fachmann bin. Es soll auch kein akademischer Vortrag werden sondern hoffentlich allgemeinverständlich und natürlich kritisch.

Erst vor wenigen Wochen (23.4.2019) fand in Frankfurt eine Diskussion des Luftfahrtpresseclubs statt unter Einbindung von Vertretern der Friday-for-future-Bewegung. Den jungen Leuten sollte der Schneid genommen werden mit der Vision von angeblich klimaneutralem synthetischem Kerosin. Dies war für mich Anlass, meine ohnehin kritische Einstellung zu hinterfragen und zu untermauern. Dabei bin ich auf eine vielseitige Ausarbeitung zur Frage von Ersatztreibstoffen gestoßen, die u.a. vom Zentrum für Luft- und Raumfahrt initiiert wurde. Offenbar geht die Angst um, wie es weitergehen soll. https://www.bmvi.de/SharedDocs/DE/Anlage/MKS/studie-biokerosin-ee-kerosin.pdf?__blob=publicationFile 

Bemerkenswert ist, dass man die Unmöglichkeit von wirtschaftlichem Fliegen mit Strom oder reinem Wasserstoff einzusehen beginnt. Fliegen mit Strom geht ohnehin nur mit Propeller, dazu kommen bei allem denkbaren Fortschritt immer schwer bleibende Batterien, die das Landegewicht unerträglich erhöhen. Zu berücksichtigen sind nicht nur die Emissionen des Fluggeräts sondern auch die Emissionen und die hohen Verluste bei der Stromgewinnung, egal ob Braunkohle, Fotovoltaik oder Wind- und Wasserenergie. Dass autonomes elektrisches Fliegen keine Lösung sein kann, bewies vor 2-3 Jahren der Experimentalflug eines fragilen Papiervogels im Tempo eines kernigen Radfahrers. Ein ganzes Jahr hat das Geduldsspiel mit Warten auf freundliche Winde und gute Sonne gedauert. Denkbar können allenfalls Kurzstrecken sein, wobei die Energiebilanz in der Addition wesentlich schlechter ist als bei flüssigen Treibstoffen.

Grundsätzlich bedarf heutiges Fliegen eines hohen Energieeinsatzes. Denn Flugzeuge bleiben nicht von selbst in der Luft sondern müssen gegen den von der Geschwindigkeit abhängigen Luftwiderstand in der Schwebe gehalten werden. Welche Energie erforderlich ist, zeigt das Beispiel eines Jumbojets, der auf 100 km 1400 l Kerosin verbraucht oder ca. 200 l in der Minute. Das schafft kein Feuerwehrschlauch.

Eine Alternative zu Kerosin wäre allenfalls Wasserstoff in flüssiger Form. Dieser bedarf allerdings einer Ultratiefkühlung auf unter minus 253°C, wie dies in der Raumfahrt unter völlig anderen Bedingungen praktiziert wird. Wasserstoff lässt sich bei normaler Temperatur mit keinem Druck des Universums verflüssigen, also ein riesiger Unterschied zu den Flüssiggasen Propan, Butan oder deren Anwendung als Autogas. Für Wasserstoff verbleibt als Alternative zur Ultratiefkühlung nur die Gasform in schweren Hochdruckflaschen. Unabhängig vom Gewicht wären das bei einer Havarie Bomben.

Was verbleibt also als Ersatz für das endliche fossile Kerosin wenn Batterien und Wasserstoff ausscheiden? Die schlechteste Lösung wäre Biokerosin vom Acker oder Palmöl von niedergebrannten Regenwäldern. Kennen wir längst vom Alkoholzusatz im Benzin und Rapsöl im Diesel. Also Tank anstatt Teller. So weit sind wir schon. Nach meinem Informationsstand werden fast 90% der deutschen Agrarfläche missbraucht für den Anbau von Viehfutter für den Fleischexport und Energiepflanzen in Gestalt von Zuckerrüben, Raps und Mais. Gerade jetzt ist das ganze Land flächendeckend gelb. Das ist nicht schön sondern beunruhigend. Längst wird der Großteil unserer Nahrungsmittel importiert und zunehmend unter hohem Energieeinsatz eingeflogen.

Die Zauberformel lautet synthetisches Kerosin auf der Basis von elektrolytisch gewonnenem und dann zu Methan karboniertem Wasserstoff. Allerdings ist die Herstellung von Methan und dessen Weiterverarbeitung sehr teuer und energieintensiv. Anlagen im großen, industriellen Stil gibt es bislang nicht, nur Pilotanlagen. Und die Methanisierung hat noch einen Nachteil. Man braucht konzentriertes Kohlendioxid in Mengen.

Welche Mengen erforderlich wären, macht der tägliche Treibstoffbedarf von 15 Millionen Litern Kerosin alleine durch Fraport deutlich. Fraport verbraucht mehr Treibstoff als das gesamte Hessen. Im Nahbereich von Fraport werden täglich mehr als 1 Million Liter Kerosin zu einem sich absenkenden Giftcocktail verblasen, mehr als der gesamte Bodenverkehr hervorbringt. Nach einer Veröffentlichung des Umweltamtes der Stadt Frankfurt sollen über 40% der Bodenbelastung der Region vom Flugbetrieb stammen.

Zwingende Voraussetzung, auf dem Wege der Wasserstoffelektrolyse als Grundlage zur chemischen Weiterverarbeitung ist die vollständige Umstellung der Stromversorgung auf regenerative Energie und das bei weiterhin steigendem Strombedarf, nicht nur für die Vision der Elektromobilität. Es macht keinen Sinn, Kerosin mit Hilfe regenerativer Energie zu synthetisieren und diesen dem Netz vorzuenthalten. Wie viele Windmühlen müssten aufgestellt und welche Flächen mit Fotovoltaik müssten der Landwirtschaft zur Befriedigung des Luftverkehrs entzogen werden.

Wie soll die Kerosinsynthese funktionieren? Basis ist natürlich Strom, egal wo dieser herkommt oder andernorts fehlt. Die erste Stufe ist die elektrolytische Spaltung von flüssigem Wasser oder Wasserdampf in Wasserstoff und Sauerstoff. Der so mit erheblichem Energieeinsatz gewonnene Wasserstoff muss dann mittels CO2 zu Methan karboniert und dann wie bei der Kohleverflüssigung zu Kriegszeiten weiterverarbeitet werden. Vor allem muss die gesamte im Endprodukt steckende Energie zuerst einmal im Prozesswege eingebracht werden. Und alle Stufen der Umwandlung sind mit Energieverlusten verbunden. Nimmt man Strom aus Braunkohle als Primärenergie ist der Wirkungsgrad des Endprodukte weitaus schlechter als beim direkten Einsatz von fossilem Flüssigtreibstoff im Triebwerk.

Auch das Schönrechnen, dass bei der Karbonierung der Atmosphäre so viel CO2 entnommen wird, wie bei der Verbrennung in den Triebwerken entsteht, geht nicht auf. Das Spurengas CO2 aus der Luft abzutrennen, ist schwierig und energieaufwendig. Es verbleiben chemische Prozesse, bei denen CO2 freigesetzt wird, dazu gehören sogar die beim Bierbrauen entstehenden Gärgase sowie die bei der thermischen Öldestillation anfallenden Verbrennungsgase. Neben Kohlekraftwerken mit 50% des weltweiten CO2-Ausstoßes sind die Drehöfen der Zementwerke als Großemittenten mit 8% des CO2-Anfalls beteiligt. Die Kohlekraftwerke sollen aber bald der Vergangenheit angehören. Verbleiben als Großemittenten nur die Zementöfen. Deren Verbrennungsabgase sind aber chemisch sehr belastet und keineswegs eine ideale Quelle. Als Massenlieferant verbleibt am ehesten das Abfallprodukt CO2 bei chemischen Prozessen und beim gewöhnlichen Kalkbrennen. Das Rohmaterial Kalkstein oder chemisch Kalziumkarbonat zerfällt bereits unter mäßiger Hitzeeinwirkung in Kalziumoxid und Kohlendioxid. Ob solche Mengen an CO2 anfallen, wie zur massenhaften Synthese des Zwischenprodukts Methan erforderlich sind, darf bezweifelt werden.

Die Fixierung darauf, dass im Flugbetrieb nur so viel CO2 freigesetzt wird, wie der unteren Atmosphäre entzogen wird, lässt unberücksichtigt, dass die Freisetzung in großer Höhe 3 - 4 x klimawirksamer ist als am Boden. Es kann in Flughöhe keinen Abbau durch Pflanzenassimilation oder durch ozeanische Aufnahme geben. Dazu kommt noch das Verbrennungsprodukt Wasser als Wolkenbilder mit Reduzierung der Ausstrahlung. Und ähnlich wie bei dem sich aus vielen Fraktionen zusammensetzenden Mischdestillat Kerosin entsteht auch bei künstlich hergestellten Kohlenwasserstoffmolekülen neben CO2 und Wasser ein ganzer Giftcocktail verschiedener Reaktionsprodukte und jede Menge Ultrafeinstaub als Kondensationskeime. Absolut gleich bleibt der Ausstoß an Stickoxiden, die sich unter Reinluftbedingungen langsamer abbauen als in Bodennähe. Nur in Bodennähe ist durch Entnahme oder Verwertung von CO2 die Bilanz besser, alle anderen Schadwirkungen bleiben gleich. Und für die Entstehung von Stickoxiden ist nicht der Energieträger entscheidend sondern Druck, Hitze und Luftüberschuss bei der Verbrennung. Synthesekerosin ist keineswegs klimaneutral, wie man sich vormacht oder den Bürger weismachen will.

Auf jeden Fall wird Synthesetreibstoff eine teure Angelegenheit. Nicht nur Fliegen wird teuerer, auch das gesamte Leben und damit wird der Raum, sein Geld zu verfliegen, schon mittelfristig stagnieren oder sinken. Und der Synthesetreibstoff steht dann in Preiskonkurrenz zu dem nicht weniger bedenklichen Heizöl und dem fossilen Kerosin, das wegen der endlichen Vorräte sicherlich nicht auf Dauer zu Schnäppchenpreisen verfügbar sein wird. Vor diesem Hintergrund ist der Ausbauwahn von Fraport ein wirtschaftlicher Kriminalfall. Nachdem der Flugplatz Stuttgart ganz aktuell zum 1.7.2019 eine massive Erhöhung der Landegebühren für laute Maschinen durchaus gängiger Typen angekündigt hat, droht hier eine Abwanderung zum lärmfreundlichen Fraport.

Alle derzeit als Utopie gehandelten Überlegungen erinnern an Singen im dunklen Keller. Zu viele Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt sein, als dass deren Eintritt wirklich realistisch sein kann.

Die Zukunft gehört dem Lastesel Zeppelin, der dank seiner großen Oberfläche möglicherweise außerhalb polarer Bereiche per Fotovoltaik autark sein kann, allerdings langsam und wetterempfindlich.

Naturgesetze kann man weder politisch noch juristisch aushebeln, auch wenn Entscheidungsträger immer noch an das Perpetuum mobile glauben.

Hartmut Rencker, Mainz

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