Der
Bericht soll nur ein Stimmungsbild und Anregungen
vermitteln, er kann und soll nicht Ersatz für einen
Wanderführer und eigene präzise Vorbereitungen sein.
Wenn eine nicht mehr junge Wander- und Bergkameradin
einen noch älteren Bergfreund bedrängt, kann sich ein
anständiger Mann nicht auf Dauer versagen. Vor drei
Jahren trat jene Frau (Maria) vertrauensvoll mit ihrem
Begehren an mich heran. Bei einer gewerblich geführten
Tour hatte sie Sorge, unter jungen Leuten überfordert zu
sein. Maria wusste, dass ich den Heilbronner schon
mehrfach in beiden Richtungen gegangen bin und fühlte
sich bei mir gut aufgehoben. So ganz begeistert war ich
nicht, zumal mein letzter Ritt ca. 15 Jahre her war. Und
so kam nicht gleich etwas vom Fleck, dann kam Corona und
dann wurde es höchste Zeit mit mir Veteran ganz knapp vor der
Achtzig. Also jetzt oder nie. Gar nicht einfach war die
Suche eines Termins wegen der infolge von Corona
reduzierten Übernachtungsplätze auf den Hütten.
Zwischenzeitlich waren wir auf vier
angewachsen,
natürlich alles bergerprobte Frauen. Wir kannten uns
alle. Irgendwie stehe ich im Ruf eines Mädchenbetreuers,
nicht das erste Mal. Und der Himmel hat mir/uns beigestanden und uns
zwischen Dauerregen und Neuschnee drei ideale Tage
beschert.
Die Anfahrt mit der Bahn zum Schnäppchenpreis war
schon fast sportlich, in Ulm Umstieg im Laufschritt. Nicht anders mit dem minutengenauen Busanschluss zum
Startpunkt Birgsau (949 m).
Volle Sonne, blauer Himmel. Eine kleine Besinnung in
der Wendelinskapelle war geboten. Und der Anstieg über 1150 m
bot uns schon vor der Hütte drei Einkehrmöglichkeiten.
Die Touristenschwemme Einödsbach (1114 m) mit Blick in Richtung
Waltenberger Haus und Allgäuer Hauptkamm verschmähten
wir im Wissen, dass nach einer Stunde die Petersalpe (1296
m) uns
Labung bieten würde. Siesta auf der von E-Bikern überfluteten Terrasse bei alkoholfreiem
Weizenbier. Von
da an gings auf guter aber feuchter Spur gleichmäßig und
aussichtsreich
bergauf zur Enzianhütte (1780 m) mit Sauna und Whirlpool für
Übernachtungsgäste. Scheint heutzutage unvermeidlich zu
sein. Natürlich kleine Einkehr mit Kuchen. Auf dem
restlichen Weiterweg gibt es eine Schlüsselstelle,
nämlich eine zu querende steile Schnee- und Eisrinne. Als
Querungshilfe gab es einige mobile Leitern am unteren Ende
der inzwischen gänzlich abgetauten Eisrinne, die wir dank
völligen Abtauens im kleinen Bogen umgehen konnten.
Leider haben wir ein Foto versäumt. Nach einer weiteren
Stunde mit Rückblick
zur Enzianhütte war die hinter einem Geschiebewulst etwas verdeckte
Rappenseehütte (2091 m) mit dem kleinen Rappensee erreicht. Der
weitaus attraktivere Große Rappensee bleibt vielen
verborgen. Man muss auf dem Geländewulst ca. 400 m laufen
bis sich der Blick öffnet. Haben wir gerade noch
rechtzeitig vor Sonnenuntergang hingekriegt. Nach all der
Anstrengung haben wir uns richtiges Männerbier erlaubt. Wir hatten
ein nicht voll belegtes Bettenlager ohne Schnarcher.
Gut schlafen in der Höhe klappt nur bedingt. Dennoch
waren wir nach eher unruhiger Nacht keineswegs platt und
Fitness war für den Weiterweg gefordert. Zunächst eher
grünes, erdiges Gehgelände,
mit Rückblick
zur Hütte, das dann immer grober und
felsiger uns zur Aufstiegswand der Nordflanke des Hohen
Lichts führte. Der ehemals feste und seilversicherte
Steilaufstieg bis zum Querband des eigentlichen
Heilbronner Wegs ist durch einen Bergsturz zu einem
Trümmerhaufen geworden. Der Abzweig zum eigentlich
vorgesehen gewesenen Hohen Licht war nicht erkennbar. Viel
haben wir nicht versäumt. Mit Ausnahme des unteren
Zustiegs geht es lediglich eine plattige Flanke
unspektakulär zum Gipfel. Die so ersparte Zeit bot uns mehr Freiraum für den
oft luftigen Weiterweg. Schnell war
die schmale Felsspalte des Heilbronner
Törls erreicht und bald deutete
sich der Steinschartenkopf
(2615 m) mit der bekannten Leiter und
der direkt anschließenden Leiter-Brücke
an. Absoluter Komfort.
Und ein toller Panoramablick
vom Biberkopf über den Widderstein, die
Schafalpenköpfe bis zum Ifen und Gottesacker. In der
Gegenrichtung die Lechtaler
Gipfel. Es ist schwierig, den Weiterweg zu beschreiben, halt
viel
abi und wieder viel aufi und das mehrfach.
Hinter uns der Steinschartenkopf
und vor uns der noch reichlich weite Bockkarkopf.
Den ersten Notabstieg ab der
Socktalscharte (2446 m) zum
Waltenberger Haus als unser Zwischenziel verschmähten
wir. Vor dem Bockkarkopf musste noch ein (namenloser?) Zwischengipfel
auf einer nur in der Ansicht gewagten Spur in plattigem
Fels überwunden werden. Der Aufstieg
beginnt mit einem Abstieg. Bald war der der Bockkarkopf
(2609 m) als aussichtsreichster Gipfel erreicht, die
jugendfrische Heike
zuerst. Rundumblick auf die nahe Mädelegabel und
die Trettachspitze und weiter der Hochvogel bis hin zum
Zugspitzmassiv, nicht zu vergessen die Front der Lechtaler
Alpen. In der Gegenrichtung ging der Blick über den Hohen
Ifen bis zum
Bodensee. Reichlich tief lag das
Waltenberger Haus unter uns. Der Gipfelabstieg war schnell
abgespult, aber der Weiterweg bis zum Beginn des Abstiegs
an der Bockkarscharte (2504 m) zog sich ziemlich hin. Nach
kleinem Aufschwung ging es über 400 m hinunter, oben felsig mit vielen
Seilsicherungen und dann noch ordentlich Geröll. Lange
versteckte sich die erst wenige Jahre alte Fertigbau-Hütte. Erst kurz vor dem Ziel zeigte sich der
Neubau mit ausgedehnter Terrasse, Gastraum mit
Panoramafenstern und Vierer-Zimmerlagern, genau passend
für uns. Eine Hütte, von der man gar nicht mehr weggehen
möchte.
Für unseren zwar langen aber nicht mehr hochalpinen
Restweg müssten wir wieder hinauf. Als Seniorentrupp
haben wir uns erlaubt, die sportlichen Zeitangaben zu
überziehen, zumal wir genug Zeit hatten. Hervorzuheben
ist der zu einer zerfurchten nassen Eisplatte verkommene Schwarzmilzferner, den wir in freier
Spurensuche
leicht
überqueren konnten. Es stellte sich noch die Frage, die
Mädelegabel (2643 m) mitzunehmen. Hartmut war schon zweimal oben
und wusste, dass nur der Zustieg ein Stück freie
Felsenkletterei erfordert, dann felsiges Gehgelände. Die unentwegten Mädchen
wollten es unbedingt wissen, ließen es im Anblick des
Zustiegs dann doch bleiben. H. trottete langsam weiter.
Bald wurde die Namensgebung der schwarzen Milz klar,
nämlich blättriges und teilweise schwarzes Schiefergestein
als verhärteter fossiler Faulschlamm. Die mal
gemütliche und mal knorrige Spur führte hin zum
traumhaft schönen Kratzerjoch
als Aussichts-
und Pausenplatz.
Bis zum ersten Anblick der
Hütte war es noch ein ziemliches Ende mit allerhand
Abwärtsmetern. Aber der Wanderer vergisst den Rückblick
nicht. Eindrucksvoll ist die Front von Hochfrottspitze,
Mädelegabel und Trettachspitze. Auch auf der Kemptener
waren wir ordentlich untergebracht.
Wieder eine Vierereinheit mit Hartmut als Sittenwächter
über drei große Mädchen.
Das Kaiserwetter war zu Ende. Nachts der erste heftige
Schauer.Im Abstieg durch den
engen und immer nassen Sperrbachtobel
ist das Wetter
ziemlich egal. Ab und
an ein paar Nieseltropfen, aber kein Regen. Der kleinen
Wegekapelle Maria am Knie machten wir unsere Aufwartung.
Es folgte ein noch langes Stück in üppiger nasser
Vegetation bis endlich der gemütliche Fahrweg im Tal
erreicht war. Unvermeidlich war die Rast an der
bewirtschafteten Alpe Oberau (1004 m) mit
Rückblick auf die jetzt
teilweise eingewölkten Berge. Der kurze Weiterweg nach
der Touristenschwemme Spielmannsau führte uns an einer
namenlosen (?) Wegekapelle
vorbei, die als erste
Modellvorstellung der Kaunergratkapelle diente. Für den
Weg noch Oberstdorf gibt es mehrere Varianten. Natürlich
wählte Hartmut als Kenner aller Steine von beiden Seiten
den für unsere Gehrichtung attraktivsten Weg, also
nicht durch den Auwald an der Trettach entlang sondern
vorbei am ehemaligen VdK-Hotel, oberhalb vom Christles-See
weiter bis zur großen Wegespinne am Golfplatz. Hier
scharf rechts auf den nach Gerstruben führenden Fahrweg mit
einem Rückblick in das Amphitheater der
Berge. Dann nicht
zurück zum Golfplatz mit Weiterweg zum Moorsee sondern weiter
auf dem lieblichen Talweg, zuletzt noch etwas ansteigend
zum inzwischen geschlossenen Cafe Kühberg mit Blick
auf
die nahen Schanzen. Schnell waren wir in Oberstdorf mit so
ausgedehner Einkehr im Cafe
Franziskus, dass es
nicht mehr zum Shopping reichte.
Auch die Rückfahrt gelang minutiös, wiederum im
Laufschritt beim Umstieg in Ulm. Der reine Luxus war das
geräumige bunte Kinder- und Familienabteil im ICE nach
Mannheim.
Geschenkt war die Tour nicht. Hartmut als Altmeister
wusste, dass es nicht mehr so leichtfüßig gehen konnte
wie vor langen Jahren. Gerade bergab in grobem Gelände
mit tiefen Tritten war das für den kurzbeinigen Veteran
nicht mehr mit Abfedern zu machen. manchmal war es schon
ein wenig Patschen und Aufstützen auf Krücken. Es war
anstrengend, durchaus eine Herausforderung, aber für uns war es an keiner Stelle
ängstigend, von Blasen oder Muskelkater sind wir
verschont geblieben. Es war für uns alle ein traumhaftes
Erlebnis, schon ein Geschenk. Und nach unserer Abreise
Schneefall fast bis ins Tal. Fortsetzung unvermeidbar,
dann aber ein Nummer verhaltener wie z.B. von Tannheim
über den Jubiläumsweg und den Laufbachereckweg, wie in
der hier verlinkten selbstschaltenden Fotoserie. Oder die
leichte und doch erlebnisreiche Hüttenrunde von Baad über die
Widdersteinhütte, Mindelheimer Hütte, Fiderepasshütte,
Kanzelwand. Und
wenn die größeren Nummern nicht mehr gehen, gibt es jede
Menge attraktive Panoramawege und Spazierwege im
Tal. Der Großraum Allgäu ist ein Füllhorn. Reicht für
ein ganzes Leben.
Respekt für meine Wanderfrauen, davon zwei satt über
Sechzig und die jüngste und fitteste auch über Fünfzig.
Teilnehmer:
Hartmut Willibald (Organisierer, Wegekenner,
Redaktion)
Bettina
Heike
Maria
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